Bernd G. Rathke
Am 26. Februar 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das bisherige strafbewehrte* Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig.
Der § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) war erst zum 10.12.2015 eingeführt worden. Jeder Mensch habe in jeder Phase seines Lebens das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dies schließe die Freiheit ein, bei Dritten auch gegen Entgelt Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Geklagt hatten unter anderem schwerkranke Menschen, die für sich Sterbehilfe beanspruchen wollten. Sie argumentierten, dass ein Verbot unverhältnismäßig in ihre Selbstbestimmung eingreifen würde. Diesen Argumenten schloss sich das oberste deutsche Gericht nun an.
Was folgt daraus?
Bisher war schwer und unheilbar kranken Patienten der Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln nur in extremen Ausnahmefällen gestattet. 137 Sterbewillige hatten seit 2015 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag gestellt, dem dieses nun nachgeben muss. Weiterhin sind damit organisierte Angebote zur Sterbehilfe – zum Beispiel mit Vereinen – erlaubt. Sie dürfen ab sofort Privatpersonen in ihrem Wunsch nach Selbstmord unterstützen.
Welche Gefahr besteht?
Fühlen sich alte und kranke Menschen nun unter Druck gesetzt, sich und ihre Umwelt zu ‚erlösen‘? In Ländern, die die Sterbehilfe liberalisierten, nahmen die assistierten Suizide* eindeutig zu. In der Schweiz habe sich die Zahl zwischen 2009 und 2014 mehr als verdoppelt.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland kritisieren in einer gemeinsamen Erklärung das Urteil und fürchten, alte und kranke Menschen würden „auf subtile Weise unter Druck“ gesetzt. Es dürfe nicht sein, dass unter dem finanziellen Druck im Gesundheitswesen die Beihilfe zum Selbstmord eine günstige Alternative zu „einer aufwendigen Sterbebegleitung“ werde.
Ändern sich nun die Gesetze?
Der Gesetzgeber hat nun die Rahmenbedingungen für diese Entscheidung festzulegen, verfügt dabei jedoch über wenig Raum diese zu gestalten. Laut dem Urteil dürfen Aufklärungs- und Wartefristen gesetzt werden. Angebote dürfen auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft werden. Ob Leiden unerträglich sei oder aus welchen Gründen jemand aus dem Leben scheiden möchte, spielt jedoch keine Rolle. Extrem gesprochen – auch gesunde Menschen dürfen Sterbehilfe in Anspruch nehmen.
Ein Rückblick
Im Dezember 2015 hatte der Bundestag geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe gestellt. Geschäftsmäßig bedeutet, wenn etwas wiederholt durchgeführt wird; unabhängig vom kommerziellen Interesse. Nach dem Motto ‚jedes Angebot generiert eine Nachfrage‘ sollte verhindert werden, dass sich Menschen unter Druck gesetzt fühlen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Es ging darum, die ‚Dienstleistung Sterbehilfe‘ zu verhindern. Als „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ definierten die Abgeordneten ein „auf Wiederholung angelegtes, organisiertes Handeln“. Dies sollte verhindern, dass Einzelpersonen oder Vereine den Suizid anderer fördern.
Prantls Blick
Wir danken Herrn Profressor Dr. Heribert Prantl (ehemals Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung), dass er uns erlaubt, seinen Newsletter ‚Prantls Blick‘ mit seinem äußerst lesenswerten Kommentar zu diesem Urteil hier zum Download bereitzustellen.
* Begriffserklärungen
Strafbewehrt – in diesem Fall: mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe belegt
Suizid – Selbstmord
Stand: 03.03.2020
Angrenzendes Thema: Jetzt vertrauen
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