Autorin: Christa Götz, Zahnärztin
Nach einer niederschmetternden Diagnose oder auch im höheren Alter mit den Einschränkungen durch zunehmende Morbidität rückt die Mundhygiene oft aus dem Blickfeld. Das Kausystem jedoch wird meist vernachlässigt. In der täglichen Praxis begegnet es mir häufig, dass selbst hochgradig demente Angehörige über alle Maßen liebevoll betreut werden, die Mundhygiene allerdings den durchaus verständlichen Ekelgefühlen zum Opfer fällt. Der behutsame Griff zum Gebiss erzeugt Abscheu oder die Pflegenden trauen sich nicht, diesen so intimen Raum zu berühren.
Wenn das Lachen vergeht
Das hat für alle Beteiligten Folgen. Alte Speisereste beispielsweise hängen fest. Gefährliche Bakterien entstehen und greifen Zähne und Zahnfleisch an. Aufgrund des seltenen Zähneputzens bilden sich Beläge. All dies sieht abstoßend aus und erzeugt schlechten Geruch. Dann fällt es den Pflegenden noch schwerer, das Gebiss herauszunehmen oder die echten Zähne zu putzen. Die Betroffenen selbst spüren und riechen dies ebenfalls. Die Folge? Sie öffnen den Mund weniger, sprechen leiser und lachen nicht mehr. Wie mir häufig bestätigt wird, fehlt den Betroffenen vor allem das ungezwungene Lachen. Es würde die sowieso belastete Situation erleichtern.
Medizinische Fakten
Auch medizinisch führt dies zu Komplikationen. Bakterienbedingte Zahnbetterkrankungen können Herz- und Gefäßerkrankungen oder Diabetes verschlimmern. Sie steigern zudem das Risiko für Lungenerkrankungen oder Infektionen an künstlichen Gelenken. Das ist bei den oft vorhandenen Multi-Erkrankungen der Palliativpatienten äußerst bedenklich. (1)
- Abhilfe – was können Pflegekräfte und pflegende Angehörige tun?
Verwenden Sie Einmalhandschuhe, die Sie in jeder Drogerie günstig erhalten. Erklären Sie Ihren kranken Angehörigen, warum Sie das tun. Diese spüren ja die Situation, verstehen Ihr Handeln und fühlen sich umso besser betreut. - Für Prothesenträger gibt es Zahnprothesenbürsten, die gut zu greifen sind und den Belag gründlich entfernen. Reinigungstabletten bilden eine sinnvolle Ergänzung, da sie Bakterien und Pilze reduzieren. Sie ersetzen allerdings nicht die Bürstenreinigung. Ihr Zahnarzt hilft Ihnen gerne mit professioneller Unterstützung, z. B. mit einer Politur und Aufarbeitung des Zahnersatzes, um diesen hygienefähiger zu machen.
- Aufsteckgriffe für Zahnbürsten und sog. „Dreikopfbürsten“ für Menschen mit verringerten manuellen Fähigkeiten und noch vorhandenen eigenen Zähnen oder Implantaten helfen, dass sich die Kranken eventuell sogar selbst die Zähne putzen.
- Elektrische Zahnbürsten erleichtern die Mundpflege manchmal ebenfalls aufgrund ihrer dickeren Griffe. Bitte üben Sie den Umgang mit dieser, falls Ihre Angehörigen noch nie eine elektrische Zahnbürste verwendet haben.
Um die Mundhöhle möglichst keimarm zu bekommen dürfen auch Zungenreiniger benutzt werden.
Sie sehen, regelmäßige Mundhygiene erhöht die Lebensqualität erheblich, ermöglicht auch vernünftige Ernährung – und schützt das herzhafte Lachen.
Stand: Mai 2018
Literatur
Unter www.zahn.de gibt es eine Broschüre der Bayerischen Landeszahnärztekammer zum kostenlosen Download: Prophylaxe in der zweiten Lebenshälfte. Vielleicht enthält sie ja den einen oder anderen weiteren wertvollen Tipp.
(1) Dies sind Erfahrungswerte aus jahrzehntelanger Praxis. Die Zahnmedizin hat auf diesem Gebiet Nachholbedarf. Die Wechselwirkungen zwischen Keimbefall der Mundhöhle und anderen systemischen Erkrankungen sind kaum erforscht.
Zahnärztin Christa Götz
Von-Kettelerstr. 13
D-84416 Taufkirchen
www.zahnaerzte-goetz.de